SMOG 60 - nutzlos?


Francis Massen

Leiter der Meteorologischen Station des LCD (meteoLCD; http://meteo.lcd.lu)

smog_60.html
18 Juni 2006

 

Pünktlich zum 14ten Juni tauchten wieder die blauen Smog Warnschilder auf unsern Landstrassen auf: das Autofahrergewissen kommt ins Trudeln, und ein erster Reflex geht wahrscheinlich in die gewünschte Richtung: während einigen hundert Metern wird die Geschwindigkeit verringert, um dann wieder zu normalen Werten bei denen die Motoren am wirkunsgvollsten arbeiten zurückzukehren. Bleiben die Schreckenschilder dann bei den folgenden (Schlechtwetter-) Tagen wie angeklebt am Strassenrand stehen, fragt man sich mit Recht "was soll das Ganze?"

Ozon wird unter dem Einfluss von hoher UVB-Strahlung durch Zersetzen von Vorläufergasen wie NO2 und VOC's (volatile organic compounds) erzeugt. NO2 kommt zum grossen Teil von Verkehrsemissionen, ein bedeutender Anteil der VOC's sind natürlichen Ursprungs (z.B. Terpene von Nadelbäumen). Automotoren emittieren auch kräftig NO, welches jedoch Ozon wieder zu O2 zersetzt. Dies erklärt, warum wir Jahr für Jahr die höchsten Ozonkonzentrationen in ländlichen Reinluftgebieten haben (hohe UVB-Strahlung, viele Terpene, wenig NO2), und die geringsten im städtischen Raum, wo auch nachtsüber durch das verkehrsbedingte NO Ozon viel schneller abgebaut wird als auf dem Land .

Die Hypothese des Umweltministeriums scheint plausibel: wir "beruhigen" den Verkehr durch Geschwindigkeitsbegrenzungen, verringern so die Vorläufergase und basta... weniger Ozon! Die Wirklichkeit ist leider eine andere, wie 2 grosse Modellstudien und vor allem die realen Messwerte bezeugen. Das schweizer Paul Scherrer Institut (PSI) hat 2004 eine Studie [1]  veröffentlicht, wonach  Modellberechnungen zeigen dass ein Absenken der Autobahngeschwindigkeit (von 120km/h) auf 80 km/h nur eine minimale Ozonverringerung von 1% bewirken würde (also einen kaum messbaren Unterschied). Das deutsche Bundesumweltamt hat 2004 ebenfalls eine Modellstudie [2] veröffentlicht wonach unter gleichen Bedingungen eine höchstens 5%ge bundesweite Minderung zu erreichen wäre; sogar ein komplettes Fahrverbot würde die Ozonkonzentration nur um 15% absenken (z.B. von 240ug/m3 auf 204 ug/m3). Dies sind abstrakte Modellberechnungen, die man wie stets mit der nötigen Skepsis begutachten soll. Eine weit deutlichere Sprache sprechen die rellen Messwerte im EEA-Report 3/2006 [3] (EEA = European Environment Agency): während Europa-weit in den letzten 10 Jahren die (anthropogenen) Vorläufergase zurückgehen, steigt die gemessene mittlere Bodenozonkonzentration leicht an! (unsere Station http://meteo.lcd.lu zeigt allerdings einen leichten negativen Trend von minus 0.2(ug/m3)/Jahr über 1998-2005 [4]).

Hieraus kann man schliessen, dass die aktuelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf unsern Landstrassen höchstwahrscheinlich wirkungslos im Sinne einer Ozonreduzierung ist (was natürlich nicht heisst, dass eine Verkehrsberuhigung keinen Einfluss auf die allgemeine Luftqualität im städtischen Ballungsgebiet hat!). Permanent drohende Blauschilder stumpfen ab, sind Tourismus-schädigend und eben nutzlos, auch wenn diese Einsicht am Ego verschiedener Umweltgruppierungen und Umweltverwaltungen kratzt. Der EEA Report zeigt übrigens ganz klar, dass die Lage überhaupt nicht dramatisch ist (die Warnschwelle wird nur an einigen wenigen Tagen überschritten); ein Problem entsteht halt immer dann, wenn man Grenzwerte so niedrig ansetzt, dass sie regelmässig bei Gutwetterlage auch ohne Verkehr überschritten werden.

 

Referenzen:

[1]    www.umwelt-schweiz.ch/imperia/md/content/luft/fachgebiet/d/grundlagen/tempo80_ozon.pdf

[2]    www.umweltdaten.de/ozon/index.htm

[3]    http://reports.eea.europa.eu/technical_report_2006_3/en

[4]     http://meteo.lcd.lu/data/2004_OKK_fm.zip und http://meteo.lcd.lu/data/2005_OKK_fm.xls

 

Photo: Francis Massen, 20 Juni 2006, Ausgangsstrasse Diekirch -> Bleesbrück, Morgennebel (Ozonkonzentration praktisch null)